Geschrieben von Ellie Greenwell für ContactChile
Übersetzt von Nicole Reis
Ein Nationalfeiertag bedeutet für jeden etwas anderes. Für die einen ist es nur ein willkommener freier Tag, für die anderen ein richtiger Feier-Tag mit leckerem Essen und Feuerwerk und Besuch von Verwandten, die man seit Weihnachten nicht mehr gesehen hat.
Chiles Feierlichkeiten des 18. September sind eine Klasse für sich. Sie beschränken sich nicht auf einen Tag, nein, man feiert eine ganze Woche! Den ganzen September, um ehrlich zu sein – und das aus gutem Grund. Die fiestas patrias wecken ein patriotisches Gefühl, eine ansteckende chilenidad liegt in der Luft und verbreitet sich im ganzen Land.
Bereits in den Wochen vor dem 18. September spürt man, wie sich die Atmosphäre verändert: Die Leute sind fröhlicher und entspannter. Typische Musik ertönt aus Läden und Bars, und es kommt Tag für Tag mehr Feierstimmung auf. Gigantische chilenische Flaggen schmücken die Gebäude und Plätze. Im Taxis fühlt man sich dank der kleinen Fahnen beidseits der Motorhaube wie ein Staatsmann. Die Stadt taucht ein in ein Meer aus Rot, Weiß und Blau.
Für viele Chilenen sind die Fiestas Patrias der Höhepunkt des Jahres. Vergiss Weihnachten, Neujahr und Ostern, am 18. September wird gefeiert! Um das Beste aus der Feierwoche herauszuholen, haben wir hier eine Übersicht zusammengestellt.
Fonda
Die Fonda ist das Herzstück der Feierlichkeiten des Dieciocho. Egal in welcher Ecke des Landes du dich befindest, du kannst dich darauf verlassen, dass die Stadt oder die Gemeinde eine Fonda veranstaltet (halte die Augen auf für originelle Fonda-Namen).
Aber was ist denn eine Fonda, fragst du? Eine Fonda ist ein Volksfest, das sich kaum ein/e Chilene/in entgehen lässt. Hier kommen Groß und Klein zusammen, um zu essen, zu trinken und zu feiern. Häufig sind es familienfreundliche Veranstaltungen (aber ojo, leicht arten sie zu einer geräuschintensiven Angelegenheit aus!).
Es wird Live-Musik gespielt, und du bekommst sicherlich auch traditionelle Cueca zu sehen, den Nationaltanz Chiles. Die Damen tragen schwingende, florale, knielange Kleider, die an die 60er erinnern und die Herren glänzende Stiefel mit Sporen, Hut und Poncho. Die ersten Minuten des Tanzes erinnern mit seinem Klatschen an den spanischen Flamenco. Danach bezaubert der Tanz durch anmutige Drehungen, durch schnelle Schritte und das kontinuierliche Drehen des Taschentuches, das beide Tanzpartner in der rechten Hand halten, um ihre bezirzenden Bewegungen noch zu unterstreichen. Dazu die ansteckende Musik der Gitarristen und Sänger. Flirten auf chilenisch!
Typischerweise tanzt man drei piezas de cueca, drei Lieder nacheinander. Danach hat man sicherlich Appetit, kommen wir also aufs Essen zu sprechen: Fondas sind der beste Ort, um chilenische Spezialitäten wie Choripan (Gegrilltes Chorizo-Würstchen im Brötchen), Anticucho (gegrillter Fleischspieß), Completo (Hot-Dog), Asado (Grillfleisch aller Art) und natürlich Empanadas in verschiedensten Geschmacksrichtungen zu kosten. Das Angebot ist umfangreich. Lass dich von deiner Nase leiten!
Vegetarier oder Veganer haben es nicht leicht, auf einer klassischen Fonda etwas zu essen zu finden. Chiles wachsende Vegetarierszene hat aber dazu geführt, dass Veggie/Vegan-Fondas in den letzten Jahren zu einer beliebten Alternative geworden sind – wie diese im Centro El Cerro (Bombero Núñez 231).
“Me gusta el vino, porque el vino es bueno, pero cuando el agua, brota pura y cristalina, de la madre tierra…
más me gusta el vino”
Me gusta el vino – Tito Fernández
Zur Fonda gehört der klassische Drink Terremoto (Erdbeben), eine Kombination aus Chicha (Federweißer), Grenadinensaft und Ananaseis – alles vereint zu einem süßen, cremigen, rosafarbenen Bubblegum-Getränk, das viel unschuldiger aussieht, als es ist. Sein Name ist nicht umsonst terremoto – wundere dich also nicht, wenn sich nach ein paar Gläsern der Boden unter dir zu bewegen beginnt!
Fonda ist nicht gleich Fonda
Wenn du den Dieciocho in Santiago feierst, ist die größte und berühmteste Fonda die im Parque O’Higgins (direkt an der U-Bahn-Linie 2). Hier stürzt du dich mitten ins Abenteuer und feierst mit Chilenen aus ganz Santiago eine farbenfrohe, laute und einzigartige Fonda. Wenn es dein erster Dieciocho ist, ist ein Wort der Warnung angebracht: Sei wie bei jedem Volksfest auf der Hut vor Taschendieben und fahr mit dem Taxi heim.
Eine ausgezeichnete Alternative, wenn du die Erfahrung des Dieciocho in einer etwas ruhigeren und kultivierteren Umgebung erleben möchtest, sind die Fondas im östlichen Teil Santiagos. In Las Condes zum Beispiel die Fonda im Parque Araucano oder in La Reina die Fonda im Parque Alberto Hurtado. Hier herrscht eine angenehme, familiäre Atmosphäre, es gibt Live-Musik, Vorführungen und typisches Essen. Lass dich von lokalen Kunsthandwerkern bezaubern oder versuche dich in einem der unterhaltsamen Geschicklichkeitsspiele. Natürlich wird auch hier der Cueca nicht fehlen.
La Pampilla: groß, größer, am größten!
La Pampilla ist eine Fonda in 10fachem Ausmaß. Sie ist die größte des Landes, findet in Coquimbo im Kleinen Norden Chiles statt und zieht jedes Jahr über 450.000 Feiernde an. La Pampilla ist ein riesiges Festival, das einige der bekanntesten Künstler Chiles auf seine Hauptbühne lockt und die rund 7 Tage dauernde Nationalfeier zu einem unvergesslichen Event macht.
Das Festivalgelände der Pampilla ist rund um die Uhr geöffnet und kostet nur 1.500 Pesos Eintritt. Wie auf jedem Festival gibt es einen Jahrmarkt mit Fahrgeschäften und haufenweise Essenstände. Natürlich darf auch hier der Terremoto (traditionell, mit Minzgeschmack oder vielleicht mal blau?) nicht fehlen. Man genießt ihn aber besser erst nach dem Besuch der Achterbahnen…
Die Vorbereitungen
Die Vorbereitung des langen Wochenendes ist entscheidend, denn die Chilenen nehmen die Fiestas Patrias sehr ernst. Die meisten Santiaguinos werden die Stadt verlassen, um ihre Familien in anderen Teilen Chiles zu besuchen oder Urlaub zu machen. Das bedeutet: Bus- oder Flugticket sowie die Unterkunft frühzeitig buchen!
Falls du an die Küste fährst, wirst du am Strand nicht alleine bleiben. In Santiago hingegen mag es sich im Vergleich zum üblichen Trubel eher wie in einer Geisterstadt anfühlen – eine angenehme Alternative zur sonst üblichen Hektik. Dank den zahlreichen Veranstaltungen wird es dir aber auch hier nicht langweilig.
Wofür du dich auch entscheidest, es ist fast unmöglich, nicht in Feierstimmung zu verfallen. Darum lass dich von der ansteckenden chilenidad mitreißen, gönn dir einen Terremoto, zieh die Cueca-Schuhe an und genieß die Fiestas Patrias!
Viel Spaß!